Advents-Kalender
2021

Hallo Nachbar*in

Wir – die WohnUnion Halle – möchten uns gern vorstellen. Seit Oktober besitzen wir die Schlüssel zu den Häusern Georg-Cantor-Straße 6 und 7, sowie Hermannstraße 8 und 9. Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, gab es erste Aufräumaktionen in den Häusern und Höfen – das waren wir.

Passend zur Adventszeit möchten wir etwas Licht und Leben in die schon lange leerstehenden Häuser im Viertel bringen. Vom 1. bis zum 24. Dezember werden in den Fenstern nach und nach Gegenstände der zukünftigen Bewohner*innen von Licht umrahmt zu sehen sein. Und passend zu jedem Fenster, stellen wir uns hier jeden Tag mit einer neuen persönlichen Geschichte vor.

Schaut also gern immer wieder vorbei und stattet unserem Haus-Advents-Kalender einen Besuch ab – analog sowie digital.

Viel Vorfreude auf die besinnlichen Tage und das neue Jahr 2022. Da wollen wir bereits kleine temporäre Aktionen als Nachbarschaftstreff machen. Lasst euch überraschen.

Schenken

Ãœber das Schenken zur Weihnachtszeit:
Nach Auffassung der meisten Theologen fing alles mit der Geburt von Jesus von Nazareth vor mehr als 2000 Jahren an – sein Leben und Sterben wird als Geschenk an die ganze Menschheit interpretiert. So der Kern der Weihnachtsbotschaft. Später beschenkten sich Christen gegenseitig und heute einfach alle Menschen, die Weihnachten feiern. In dem Artikel wurde Schenken als Theologie zum Auspacken und Anfassen bezeichnet. Ein schöner Gedanke!

„Beim Vorgang des Schenkens gibt der Mensch die ausgrenzende Idee des Eigentums auf, indem er einen Gegenstand in fremde Hände legt. Er verzichtet darauf und zwar ohne Vertrag und Unterschrift. In diesem Vorgang überwindet er für einen Moment seinen natürlichen Egoismus. Im Schenken entdeckt er sich als soziales Wesen.“ Auch ein schöner Gedanke!

Auf jeden Fall unterstützen wir als WohnUnion eine neue Betrachtung des Begriffes Besitz und Eigentum jenseits der gängigen ökonomischen und juristischen Begriffe. Wir verstehen unser Projekt als eine Form von „Gemeingut“, auch als Commons bezeichnet. Wir machen uns damit wie viele andere Projekte auf den Weg, etwas anderes auszuprobieren. Commoning ist ein lebendiger sozialer Prozess, in dem Menschen selbstorganisiert ihre Bedürfnisse erfüllen – in unserem Fall das Bedürfnis nach sozialem Miteinander und sicherem Wohnraum.

Wir laden Dich und Euch herzlich ein, Teil dieses Weges zu werden! Sehr gern kommen wir miteinander ins Gespräch, hier bei uns im Wohnprojekt oder bei einer unserer Vereinsveranstaltung 2022. Wir freuen uns darauf!

Und falls Du zu den Menschen gehörst, die in diesem Jahr wenig beschenkt wurden – komm gern zu unserem geschmückten Tannenbaum in der Hermannstraße 8 und pflücke dir ein Geschenk! Ein frohes Weihnachtsfest!


Deine WohnUnion

LIVE Jazzy-Christmas-Lieder

Advent hat etwas mit ankommen zu tun. Bevor ich beim Saxophon ankam, war ich viele Jahre lang mit klassischer Musik unterwegs. Dann rührten Menschen mein Herz an, die keine Chance mehr hatten, ihre großen Lebenspläne zu verwirklichen, weil sie wussten, dass ihre Lebensuhr bald abläuft. Sie erinnerten mich daran, dass ich schon immer lieber Tanzmusik spielen wollte und mahnten mich, es nun wirklich zu tun.

Darum spiele ich heute hier um 11 und um 15 Uhr jeweils für ca. eine halbe Stunde live „Jazzy-Christmas-Lieder“ in innerer Verbundenheit mit denen, die im letzten Jahr einen lieben Menschen verloren haben.

Ich wünsche mir, dass immer mehr Menschen in innere Verbindung kommen zu dem, was ihr Herz wirklich berührt. Denn ich bin überzeugt: nur wenn wir alle diesen Spuren folgen, können wir in Frieden leben – dem inneren und irgendwann dem äußeren.


Gerlinde (57)

Ich fühl’ mich Disco

Spiegelkugeln verzaubern mich mit ihren Reflexen,
sie verzaubern Räume und
mir ein Lächeln in die Augen.
Ich tanze gern, lieber unter Discokugeln
als unter heilig angestrahlten W-Kugeln.
Im Glanz und ihren Reflexen ähneln
sich die Kugeln schon,
sie leuchten nur zu anderem Soundtrack.
Alles Popkultur.
Ich wünsche uns,
dass wir im W-Kugelglanz
uns mehr Disco fühlen und
unter drehenden Lichtern tanzen.


Niels Holger (55)

„Lieber Mirko!“

Diese Postkarten waren in Mirkos Briefkasten in der Hermannstraße 8.
Ãœber 10 Jahre haben sie dort vergeblich auf ihn gewartet.
Schließlich kamen wir und haben den Briefkasten abgeschraubt.

Lieber Mirko, wenn Du das hier liest:
Grüße aus Indien, Hamburg und Berlin!
Und Frohe Weihnachten. 🙂


Jonathan (31)

Adornos Keule

Über allen, die innerhalb der bestehenden kapitalistischen Verhältnisse emanzipatorische Inseln schaffen wollen, schwingt Adorno seine Keule:

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ – Aber es gibt ein weniger falsches.

Für mich ist die WohnUnion der Versuch ein solches weniger falsches Leben zu führen. Ob ein bisschen Carsharing, eine Foodcoop, solidarische Mieten und ein gemeinsam genutzter Hof mehr sein werden als bürgerlicher Ökolifestyle muss die Praxis zeigen.


Bernd (57)

Bunt und nachhaltig

Die Lichterkette, die das heutige Fenster schön bunt anstrahlt, habe ich aus einer „Findekiste“. Das ist eine super Erfindung der letzten Jahre – Dinge, die noch gut sind, nicht einfach wegzuwerfen, sondern sie anderen Menschen zur Verfügung zu stellen.

Auch die WohnUnion wird für Nachhaltigkeit stehen. Es wird Räume geben, z.B. eine Fahrradwerkstatt, ein Gästezimmer, ein Gemeinschaftsraum usw. die sich viele Menschen teilen. Auch schon beim Bauen und Renovieren der Häuser wollen wir versuchen, mit nachhaltigen Baumaterialien zu bauen, alte Dinge nicht einfach zu ersetzen, sondern lieber aufzuarbeiten und nachzunutzen.

Das gefällt mir persönlich sehr gut, denn dafür stehe ich auch sonst mit meinem Wirken ein.


Grit (54)

Schneeflöckchen,Weißröckchen

Wenn ich Schneeflocken sehe, dann denke ich an:
– Möhre holen und Schneemann bauen
– an Schneebälle
– Zunge raus und Schneeflocken fangen
– Schlitten holen und eine Rodelpartie machen
und wir müssen Frau Holle und der Goldmarie danken und ein bisschen der Pechmarie.


Lieselotte (5), Angelikas Enkelin

Oh, Tannenbaum!

Im ersten Semester meines Designstudiums bekamen wir die Aufgabe, einen Weihnachtsbaum aus drahtigem Material zu gestalten. Meine intuitive Spürnase führte mich zu einer kaputten Matratze am Straßenrand, aus der ich diese Federn rausoperiert habe. Ruckzuck fügten sie sich zu diesem kess nickenden Michelin-Männchen zusammen, das mich seitdem treu begleitet und mich vorm Baumabholzen bewahrt.

Nur direkt vor meiner Raussanierung 2017 habe ich einen todgeweihten Topfbaum aus dem Garten einer letzte Nutzung zugeführt – und er hatte auch diese vertraut schiefe Spitze. Für meinen neunjährigen Sohn ist inzwischen klar, dass es bei mir keinen grünen Baum gibt, aber viel Adventliches und Lieder bei allen Gelegenheiten.

In der WohnUnion freue ich mich immer wieder darüber, wie sich aus Einzelnen ein funktionierendes Ganzes ergibt; einzelne Persönlichkeiten, einzelne Kompetenzen, einzelne Werkzeuge, einzelne Handlungen und in absehbarer Zeit auch einzelne Wohnungen. Und dabei steht die Spitze oft auch nicht kerzengerade…


Eva (48)

Ein Stern

Ein Stern. Und viel Platz. Das ist für mich Fokus: ein warmer Ort, ein Zentrum, vielleicht sogar der Herd der Familie. So etwas, wie es Weihnachten im besten Fall sein kann, und wie es die WohnUnion im besten Fall werden kann. Und viel Raum drumherum, zum Bewegen, zum Entwickeln, zum ich selbst sein. Übrigens ist der Stern ein Geschenk meiner Mutter. So einfach kann das sein.


Thorsten (52)

Das Neumarkt-Viertel erzählt Geschichten

Wir leben seit 2013 im Neumarktviertel und fühlen uns hier sehr wohl. Es ist ein grünes Stadtquartier: die Saale mit ihren weitläufigen Grünflächen ist in unmittelbarer Nähe und der Botanische Garten bildet gewissermaßen das grüne Zentrum. All das ist nur wenige Minuten von der Altstadt und einen Steinwurf von den Häusern entfernt, die in den kommenden Jahren durch die WohnUnion behutsam saniert werden.

Etwas zur Geschichte des Quartiers: Das Neumarktviertel hat sich aus dem mittelalterlichen Dorf am Kloster Neuwerk entwickelt. Der Siedlungskern lag in dem Gebiet zwischen Breite Straße und Große Wallstraße. Bereits um 1400 erhielt das Klosterdorf den Namen Neumarkt und im 16. Jh. hatte sich die junge Amtsstadt selbstbewusst neben der mächtigen Nachbarstadt Halle platziert. 1694 wurde der Botanische Garten als Hortus Medicus, Arzneigarten der Universität Halle-Wittenberg gegründet. Im Jahr 1817 wurde Neumarkt in Halle eingemeindet – zu dieser Zeit lebten ca. 2.000 Menschen hier.

Überall kann man Spuren dieser Geschichte finden oder im Sommer einfach nur Eidechsen beobachten, die sich an der Mauer zur Rive-Villa sonnen. Seit Jahrhunderten haben sich die Straßenverläufe kaum verändert, nur deren Bedeutung (z.B. die Fleischergasse). Das Kirchtor wurde Anfang des 20. Jahrhunderts abgebrochen, daran erinnert nur noch der Straßenname und auf den Grundmauern der erst 2020 wiederentdeckten Klosterkirche wurde das zukünftige Herbarium des Botanischen Gartens gebaut.

Die heutige Hermannstraße gab es noch nicht, nördlich der Breiten Straße erstreckten sich landwirtschaftliche Nutzflächen, die der Versorgung dienten. Die gründerzeitliche Bebauung an der Hermannstraße und Georg-Cantor-Straße entstand im Zuge der Stadterweiterung Ende des 19. Jahrhunderts. 1877 wurde die Neumarkt Grundschule eröffnet, sie ist heute die größte Grundschule in Sachsen-Anhalt.

Advent bedeutet Ankunft und kommt von Adventure … ein Abenteuer. Dazu gehört Mut. Wir freuen uns, dass die Häuser in der Hermannstraße bald wieder mit Licht und Leben erfüllt werden und Geschichten erzählen.


Christine (54) und Marlene

Versuch einer Collage

Ich bin ein absoluter Collagen-Fan. Diese Collage ist aus einem ersten Impuls heraus entstanden. Seit 3 Jahren basteln mehrere kleine Gruppen zu verschiedenen Tagen bei einer Freundin am großen langen Tisch in der Vorweihnachtszeit Sterne, Verpackungen, Karten usw.. Diese Freundin hat alles Mögliche an Bastel-Equipment – u.a. auch kleine Motivstanzen. Letztes Jahr nahm ich mir Stanzreste mit nach Hause und collagierte eine Weihnachtskarte, indem ich eine Hand aus einer Illustrierten herausschnitt, einen Ärmel dazu bastelte und die Stanzreste an „Schnüren“ von der Hand herunter hängen lies. Das war seit gefühlt 25 Jahren wieder meine erste Collage.

Ich dachte ich setze dieses Motiv für eines der Fenster um. Was aber im Kleinen funktioniert, muss nicht automatisch im Großen funktionieren. Früher benutzte ich die Collage als Darstellungsform für Bekleidungsentwürfe und zur Ideenfindung. Es ist faszinierend welche Farbigkeit illustrierte Zeitschriften bieten, welche Strukturen und Muster in ihnen zu finden sind und welche neuen Kombinationen sich beim Zusammenfügen der Teile ergeben. Ich bezeichne die Collage als eine Technik des gesteuerten Zufalls. Es können auch vom Gestalter für ihn und für andere unbeabsichtigte Stimmungen oder Zusammenhänge entstehen.

Eine Collage macht viel Arbeit – kann aber auch, wie jede Form des Gestaltens, beim Machen meditative Wirkung haben. Die schönste Weihnachtscollage ist für mich die singende Katzenfamilie des Grafikers Wolf Erlbruch. Dieser zeichnet gekonnt mit wenigen aber treffenden Strichen Strukturen und Linien auf Packpapier schneidet es in Form, fügt noch ein wenig Helligkeit und Schatten hinzu und fertig sind seine scheinbar leicht gemachten Collagen. Seht selbst.


Claudia (53)

Spielsachen für Klein UND Groß

Wenn ich an die Adventskalender meiner Kindheit denke, kamen hinter den Türchen Bilder von Spielsachen zum Vorschein. Um das Fenster auszufüllen habe ich nun große Bausteine genommen.

Mein Wunsch an eine Gemeinschaft in der WohnUnion ist, dass die Kinder immer jemanden zum Spielen finden. Und das auch die Großen Zeit zusammen verbringen können: beim Spielen, Reden, Kunst und Kultur. Darauf freue ich mich.


Doro (52)

Grünes Licht der Solidarität

Am 12. Dezember stellen Menschen überall im Land grüne Lichter in ihr Fenster – so wie die Anwohner*innen im polnischen Grenzgebiet. Dort signalisiert das grüne Licht, dass Geflüchtete für konkrete Hilfe anklopfen können.

Sorgt mit uns dafür, dass die Menschen an der polnischen EU-Grenze trotz Weihnachtstrubel und explodierenden Corona-Zahlen nicht in Vergessenheit geraten. Werdet Teil des bundesweiten Aktionstages und lasst am 3. Advent ein grünes Licht in eurem Fenster leuchten – in Solidarität mit den Geflüchteten in Polen und Belarus.

Falls ihr noch mehr tun wollt: Bis kommenden Mittwoch 15.12.21 (18-20 Uhr) werden in der Ludwigstraße 37 in Halle Kleider- und Hygiene-Spenden zur Unterstütung der Menschen an der polnisch-belarussischen Grenze entgegengenommen. Vor allem jetzt im Winter werden warme Kleidung, Rettungsdecken, Notfallzelte, Schlafsäcke und alles was warm hält dringend gebraucht. Auch Masken, Schnelltest, Desinfektionsmittel sind während der Pandemie-Zeit extrem wichtig.

Die Lieblingsfarbe des Lokführers

„Großer Bruder ist da! Lokführer auch!“ – so liebevoll und voller Energie wird der kleine Niels (* Okt. 2021) jeden Morgen von seinem großen Bruder Jakob (2 Jahre) begrüßt. Und wenn wir hier an den Häusern der WohnUnion vorbeilaufen, erklärt uns Jakob, was für Baufahrzeuge („Kran, Bagger auch, und Betonmischer, Gabelstapler auch“) hier alle zum Einsatz kommen werden, bevor wir nochmal umziehen können.

So freuen wir uns schon auf eine wunderbare Zeit des Zusammenlebens als Familie in der WohnUnion! Falls ihr euch gefragt habt, warum auf dem Gemälde so viel blau ist, das ist die Lieblingsfarbe des Lokführers. Sie wurde sogar beim zweiten Maltag wieder auserwählt. Der Lokführer kann euch sogar im Schlaf benennen, welche Farbe die Lokomotiven des Peißnitz-Express haben. Eine ist blau.

Wir wünschen euch eine besinnliche und fröhliche Adventszeit!


Jakob (2), Niels (0), Lukas (28), Freja (29)

Nachhaltiges Weihnachten

Eigentlich ist die Gestaltung von Weihnachtsfenstern so ziemlich genau das, was mir eher weniger liegt. Der rote Stern ist ein Fundstück aus meiner Wohnung, was ich zum Thema Weihnachten besitze.

Beruflich bin ich im IT Bereich tätig. Neben meinem Beruf bin ich aber noch vielfach ehrenamtlich engagiert. Diese Aktivitäten drehen sich alle um die Erhaltung der Natur, dem achtsamen Umgang mit unserer Umwelt, veganer Lebensweise und einer notwendigen Verkehrswende. Dafür bringe ich mich gern ein. Ihr findet aus dem Grund in meinem Adventsfenster die Aufrufe für mehr Klimaschutz und eine nachhaltigere Lebensweise. Diese „Transpis“ sind im letzten Jahr bei einer Aktion auf dem Uniplatz entstanden und waren Teil einer alternativen Nachhaltigkeits-Pyramide. Sie sind auch heute natürlich genau noch so aktuell, wie vor einem Jahr.

Ich engagiere mich auch schon lange in der WohnUnion und freue mich auf meine zukünftige WG hier. Auch hier werde ich mich für meine Themen einsetzen und freue mich auf ein gutes Miteinander in der neuen Nachbarschaft.


Ralph* (47)

* Name und Alter wurden auf Wunsch der Person anonymisiert

Gerettete Ikone

Marylin stand vor der Wohnung eines Hausmitbewohners. Er wollte sie als Zielscheibe fürs Bogenschießen verwenden – das konnte ich nicht ertragen und ich habe sie ihm abgeschwatzt.

Seit 22 Jahren wohne ich in WGs und habe in dieser Wohnform seither ca. 25 Mitbewohner:innen näher kennengelernt – was nicht nur einfach war. Trotzdem favorisiere ich diese Art des Zusammenlebens nach wie vor. Daher wird mein Platz in der WohnUnion in einem kleinen Zimmer des Gemeinschaftshauses in der Hermannstraße 9 sein. Ich freue mich darauf, in unserer kleinen Gemeinschaftsküche alltäglich
Hausbewohner:innen zu treffen und in der großen Gemeinschaftsküche des Wohnprojekts in der Georg-Cantor-Straße 7 hin und wieder für eine größere Aktion mit nahestehenden Menschen zusammenzukommen.


Katrin (49)

Leere abreißen?

„Leere abreißen“ Das steht auf einem der Plakate, die meinen WG-Flur bunter machen. Zusammen mit u.a. „Ostdeutschland halbieren“ oder „Stillstand beschleunigen“. Diese Sprüche hingen in der 5er-WG schon bevor ich 2010 hier eingezogen bin – sie sind ein Projekt-Ãœberbleibsel meiner Vormieterin Caro, die an der Burg Kommunikationsdesign studiert hat. Auch ich habe an der Burg studiert – für mich muss jedoch was anderes auf dem Plakat stehen: „Leere neu füllen.“

Das passt sehr gut zur WohnUnion, welche die leerstehenden Häuser hier ab 2022 wieder zugänglich machen und mit neuem Leben füllen wird. In Zeiten von steigenden Mieten und damit sozialen Ausschlüssen, knapper werdenden Ressourcen und der Klimakrise stellen wir uns eine wichtige gesellschaftspolitische Frage: Wie schaffen wir langfristig bezahlbaren Wohnraum – mit möglichst wenig Klimabelastung?


Diana (38)

Wie lange wartest du?

Entstanden am Hannoveraner Hauptbahnhof. Als ehemals Hildesheimer Studentin galt dieser Ort als Tor zur Welt – egal wohin die Reise ging, hier musste ich immer warten. Einen Tag verbrachte ich dort und fragte die Menschen: „Wie lange wartest du?“

Aufgenommen auf einem Diktiergerät, brachte ich die Antworten langsam zu Papier, Buchstabe für Buchstabe gestempelt. Und war schließlich überrascht, wie gut diese miteinander in den Dialog treten.

(Ab)Warten, geduldig sein, in die Zukunft denken – das ist für mich ganz wesentlicher Teil des entstehenden Wohnprojekts, denn die Gruppe gibt es ja schon seit 4 Jahren. Meine Familie und ich selbst sind seit etwa einem Jahr ein Teil von ihr. Und bis die Gebäude fertig sind, werden weitere Jahre vergehen.

In der WohnUnion wird das Warten mit vielen Aufgaben gefüllt, das Projekt wächst und trägt in meinen Augen Früchte, lange bevor die Häuser bezogen werden können. Am Ende wird es sich sicherlich gelohnt haben. Was heißt dann also eigentlich lange warten?


Theresa (30)

Sofie mit dem großen Horn

Letztes Jahr um die Winterszeit fand in unserer Nachbarschaft ein Fest statt, wovon noch gefühlte Monate lang “eine Traube“ bunter Luftballons zeugte, die aus dem Fenster hing und an dem wir – nicht nur unserer Tochter wegen – bei unseren Spaziergängen im Viertel immer einmal Halt machen mussten, um sie zu bewundern. Einmal aufgrund ihrer Vielfarbigkeit und einfachen Schönheit und außerdem aufgrund ihrer unfassbaren Beständigkeit gegen Zeit, Wind und Wetter, Schnee und Sturm. Hatte ihnen doch jemand einfach so und aus voller und eigener Lungenkraft Leben eingehaucht.

Es gibt eine Geschichte von Hans Traxler über ein kleines Mädchen, Sofie, das das riesige Instrument Alphorn spielen lernen möchte und ihre Lunge darauf mit 100 Luftballons vorbereitet. Da wir ein ähnlich großes Projekt planen, ich Luftballons mag und mir die Geschichte von „Sofie mit dem großen Horn“ gefällt, habe ich mir auch eine Packung Luftballons gekauft – dazu noch eine Flasche Sprudel – und mich in das Haus Nummer 7 in der Georg-Cantor Straße gesetzt. Dann habe ich ausprobiert, für wie viele Ballons meine Puste ausreicht. Letztlich bin ich dann doch froh, dass wir in der WohnUnion und im Viertel die Puste für das große Alphorn, welches spielen zu lernen wir uns vorgenommen haben, nicht alleine erbringen müssen.

Mal sehen, wie lange sie sich halten…


Paul (32)

Angersdorfer Kugeln

Die WohnUnion hatte das Glück neben den Gebäuden in der Hermann- bzw. Georg-Cantor-Straße auch ein Objekt in Angersdorf aus einem Nachlass zu übernehmen. Es handelt sich dabei um ein kleines Gehöft, in dem der Vorbesitzer bis zu seinem Tode lebte. Nach der Ãœbernahme hieß es deshalb auch mit den Dingen umzugehen, die er bis zum Schluss benutzt hat. Möbel, Küchengeräte, Werkstattausrüstung, Alltagsgegenstände, Bücher… und Advents-/Weihnachtsdekoration. Eine kleine Auswahl dieser schmückt nun dieses Fenster der Hermannstraße.


Udo (53)

Affen sind soziale Wesen

Rosas Oma gewann den Affen einst bei einem Gewinnspiel und schenkte ihn meiner Tochter als sie 4 Jahre alt war. Er begleitete uns als Familie über viele Jahre. Inzwischen ist Rosa 18 und der Affe sitzt schon seit zwei Jahren etwas einsam im Gartenhaus und wartet auf eine neue Aufgabe. Durch den Einsatz im Adventskalender bekommt er wieder Aufmerksamkeit und rückt dadurch mehr in den Fokus von mir und meiner Tochter.

Die WohnUnion steht für mich auch dafür, wertvolle Dinge zu achten und zu bewahren, ihnen eine neue Bedeutung zu verleihen und mit ihnen außergewöhnliche Wege zu gehen.


Katrin (49)

Die Begonnene

Diese Figur (aus Lindenholz von einem gefällten hallischen Alleenbaum) habe ich im März 2020 begonnen, als ich meine Logopädische Praxis wegen des Lockdowns für 3 Wochen schließen musste. Ich habe es leider noch nicht geschafft, weiter daran zu arbeiten, da mir unter anderem Räumlichkeiten dazu fehlen.

Meine Vision für die WohnUnion ist es, genau solche Räume – mit Werkzeug, Materialien, regem Austausch und weiteren aktiven Menschen – für das Quartier zu schaffen, in denen kreative Prozesse begonnen und gestaltet werden können.


Angelika (54)

Die Säge

Ich heiße Curt. In der WohnUnion bin ich der älteste Mensch. Immer schon freue ich mich auf den Advent. Nein, gar keine Hektik – eine stille Zeit. Vier Kerzen auf dem Adventskranz. Für unseren Adventskalender hier in der Georg-Cantor-Straße habe ich die Säge ausgesucht.

Eine Säge im Adventskalender?

Schau mal hier – das Filmchen vergnügt mich seit Jahren in dieser dunklen Jahreszeit. J.O.Blechman hat es gemacht. Er ist Grafiker, lebt in New York und freut sich, wenn er andere überraschen und zum Schmunzeln bringen kann. Hab noch einen schönen Tag!

Curt (73)

Transparente Fenster-Sterne

Ich erinnere mich noch genau, wie ich als etwa neunjähriges Kind vor einem transparenten Fenster-Stern stand und völlig fasziniert war. Niemand konnte mir erklären, wie ich solch einen Stern falten könnte. Erst viele Jahre später habe ich dies gelernt und meine Faszination für diese Sterne hat sich nie gelegt.

Der Materialwert eines solchen Sternes ist sehr gering und nur dadurch, dass ich mir Zeit nehme und eine bestimmte Anzahl von Blättern falte und dann zusammenklebe, entsteht ein Kaleidoskop an Farbschattierungen und Mustern. Ich werde nicht satt, dies zu betrachten und mich von der Leuchtkraft faszinieren zu lassen.


Eckart (53)